Synapsen syncen: Was Clubkultur mit unserem Gehirn macht
Egal, welche Musik und welche Art von Party du bevorzugst – das Gefühl, wenn Körper in dunklen Clubs aufeinandertreffen, ist ein ganz eigenes. Dabei macht uns nicht nur die Gemeinschaft am Floor unserer Wahl zu glücklichen Menschen. Auch die Musik und ihr Rhythmus haben Einfluss auf Körper und Psyche. Wir haben gemeinsam mit einem Musikpsychologen herausgefunden, was genau mit deinem Körper passiert, wenn du in deinem Lieblingsclub die Nächte durchfeierst.
Solange du das Pulsieren des Basses in deiner Brust fühlst, hörst du nicht auf, zu tanzen – auch, wenn die Füße bereits wehtun. Du spürst das kalte Getränk in deinem Rachen und den Windhauch, wenn du der Lüftung näherkommst. Du siehst wenig, aber hörst umso mehr. Du bist auf jeden Fall damit beschäftigt, dich und andere intensiv wahrzunehmen. Es passieren in diesem Moment, in diesem Club viele Dinge mit dir und deinem Körper, die du vielleicht gar nicht bemerkst. Die Synapsen und Hormone spielen verrückt, ohne dass wir wissen, wie uns geschieht.
Thomas Stegemann ist Professor für Musiktherapie an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Er sagt, dass das Setting in einem Club zu einer multisensorischen Stimulation im Gehirn führt. Das heißt: Praktisch all unsere Sinnesorgane werden durch die von der Musik, vom Licht und von der Umgebung ausgehenden Reize höchst aktiv.
Was macht Clubkultur mit unseren Gehirnen
Wie genau sich diese Reize und die Umgebung im Club auf unseren Körper und Geist auswirken, ist dabei stark vom Rhythmus der Musik abhängig. Wenn wir uns alle gleichzeitig und im Takt bewegen, nennen das Expert*innen »musikalisches Entrainment«, ein Phänomen das beschreibt, wie wir physische und psychische Prozesse anhand der Rhythmik der Musik organisieren. Hinzu kommen die Hormone, die wir ausschütten, sobald wir die Musik, die wir hören, mit positiven Gefühlen und Gedanken verbinden. Gefällt uns, was der oder die DJ spielt, kommt nämlich das bekannte Glückshormon Dopamin ins Spiel. Und wenn uns das dann auch noch große Ausdauer beim Tanzen verleiht, werden Endorphine und Endocannabinoide ausgeschüttet. Das sorgt für ein euphorisches Hoch – manche kennen es vom ausdauernden Joggen, dort wird dieser Effekt »Runner’s High« genannt.
Welche Rolle spielen dabei verschiedene Musikgenres?
Es macht natürlich einen riesigen Unterschied, ob uns die Musik im Club gefällt oder nicht. Aber auch in der Wirkung einzelner Genres gibt es grundlegende Eigenheiten. Professor Stegemann erklärt das anhand einer Studie mit einer Stichprobe von 16 jungen Erwachsenen. Bei dieser zeigte sich, dass das Anhören von Techno – im Vergleich zu klassischer Musik – mit einem signifikanten Anstieg von Herzfrequenz und Blutdruck einherging. Es kam zu einer intensiven Ausschüttung von Hormonen. Und auch Beta-Endorphin, ein vom Körper selbst produziertes Opioid, konnte verstärkt nachgewiesen werden. Es gibt also neben der individuellen Präferenz auch ganz allgemeine Mechanismen, wie unterschiedliche Musik empfunden wird. Schnelleres Tempo, hohe Lautstärke und starke dynamische Wechsel sind zum Beispiel bekannte Mittel, um einen Beat aktivierend wirken zu lassen. Einen eher beruhigenden Effekt haben wiederum gegenteilige Merkmale – also langsames Tempo, ein begrenzter Tonumfang der Melodie und wenig Änderung in Rhythmik, Harmonie, Dynamik und Lautstärke.
Und wie wirkt sich das Gemeinschaftsgefühl im Club auf unsere Psyche aus?
Wenn die Musik und alles rundherum stimmt, kann eine gemeinsam durchgefeierte Nacht zu einem der schönsten Momente werden – vor allem, wenn wir diese ganz eigene Stimmung von Zusammengehörigkeit in einer Clubgemeinde spüren. Professor Stegemann hebt das Bindungshormon Oxytocin dabei als einen wesentlichen Faktor hervor. Oxytocin, auch bekannt als »Kuschelhormon«, wird unter anderem beim gemeinsamen Singen ausgeschüttet. Es spielt – vermutlich auch evolutionär – eine wichtige Rolle beim Erleben von Gruppenzugehörigkeit.
Aus musikpsychologischer Sicht gibt es außerdem drei Gründe, warum Menschen überhaupt Musik hören: erstens zur Regulierung von Stimmung und Erregung, zweitens zur Selbstwahrnehmung und Identitätsbildung und drittens als Ausdruck sozialer Relationen. Dass wir Musik im Club noch stärker empfinden, erklärt sich in der Kombination dieser Funktionen, vor allem wenn wir in einer guten Clubnacht Platz für gemeinsamen und identitätsstiftenden Selbstausdruck finden.
Da können die Füße am nächsten Morgen noch so weh tun.